Der deutsche Überfall auf Polen begann am 1. September 1939 mit dem Angriff auf die Danziger Westerplatte, der Bombardierung Wieluńs und dem Einmarsch deutscher Truppen in Polen. Die Wehrmacht setzte auf einen schnellen Bewegungskrieg und stieß in einer Zangenbewegung Richtung Warschau vor. Zahlenmäßig überlegen und technisch besser ausgestattet, gelang es der deutschen Armee, die polnischen Truppen zum Rückzug zu zwingen.

England und Frankreich erklärten dem Deutschen Reich erst drei Tage nach dem Angriff den Krieg. Sie griffen jedoch nicht in die Kampfhandlungen in Polen ein. Der Einmarsch der mit Deutschland verbündeten sowjetischen Truppen am 17. September 1939 besiegelte die polnische Niederlage. Ein Teil der polnischen Armee kapitulierte nach heftigen Kämpfen am 27. September in Warschau. Östlich der Weichsel ergaben sich die letzten polnischen Truppen am 6. Oktober 1939 nach der Schlacht bei Kock. Wehrmacht und Polizei- und SS Einheiten begingen in Polen schon im September 1939 zahlreiche Verbrechen an der Zivilbevölkerung und den gegnerischen Soldaten. Die wahllose Zerstörung von Dörfern und Städten, Gewalthandlungen gegen die zivile Bevölkerung, aber auch die Erschießung von Kriegsgefangenen und Geiseln waren an der Tagesordnung. Die jüdische Bevölkerung wurde vielerorts Opfer von „Blitzpogromen“ und Massakern, die als „Vergeltungsmaßnahmen“ inszeniert wurden. SS-Einsatzgruppen und „Volksdeutscher Selbstschutz“ ermordeten zehntausende Angehörige der polnischen Intelligenz. Nach Ende der Militärverwaltung am 26. Oktober 1939 wurden im Zuge einer mörderischen Besatzungspolitik bis Kriegsende weitere fünf Millionen Menschen, darunter circa drei Millionen polnische Jüdinnen und Juden, umgebracht.

Kurt Seeliger (1895-1968) war seit Mai 1933 NSDAP-Mitglied und nahm als Batterieführer der Beobachtungs-Abteilung 13 am deutschen Überfall auf Polen 1939 teil. Seine Kriegserlebnisse dokumentierte er fotografisch. Rückseitig versah er die Fotografien mit Kommentaren in Sütterlin und mit Bestellnummern. So konnten Angehörige seiner Einheit Abzüge bei ihm bestellen. Zudem nahm Seeliger Fotografien anderer Soldaten in seine Serie auf: Einige stammen von einem Soldaten namens Richardt, andere sind nicht signiert.

Einige Fotografien zeigen Verbrechen der Wehrmachtssoldaten an der polnischen und polnisch-jüdischen Bevölkerung. Seeliger bezieht hierzu in den Kommentaren nicht immer Stellung. Andere Aufnahmen zeigen den Kriegsalltag der Beobachtungs-Abteilung 13. Sie dokumentieren das Vorrücken der Einheit und Kriegszerstörungen, aber auch idyllische Landschafts- und Dorfszenen. Die meist detaillierten Beschreibungen auf den Rückseiten ermöglichen die geographische und zeitliche Einordnung der Aufnahmen.

Seeligers Fotografien und Kommentare sind ein eindrückliches Zeitzeugnis: Sie dokumentieren die Perspektive des Eroberers. Das Fotokonvolut reiht sich ein in den Bestand von Sammlungen und Alben, die Wehrmachtssoldaten im Krieg gegen Polen 1939 anfertigten. Als Forschungsgegenstand kann es in vielerlei Hinsicht Erkenntnisse bieten:

• zum historischen Ereignis des deutschen Überfalls auf Polen,
• zur Wahrnehmung und Mentalitätsgeschichte der Wehrmachtssoldaten,
• zur Nutzung des Mediums der Fotografie im Krieg.

Das Konvolut ist aber auch Zeugnis seiner Zeit: Teilweise reproduzierte Seeliger durch die Auswahl seiner Motive antislawische und antisemitische Vorurteile. In seinen Kommentaren nutzte er rassistische Sprache. Auch wurden die Gezeigten in für sie demütigenden und bedrohlichen Situationen aufgenommen – wohl ohne dass ihr Einverständnis vorlag.